Ein persönlicher Nachruf
Wikipedia sagt: Ein Nachruf ist ein Text den man über einen Verstorbenen zurücklässt.
Pflichtbewusst, hilfsbereit, kollegial sind manche der Worte die dabei meistens fallen.
Es sind austauschbare Worte, schnell vergessen, ohne Nachhall und ohne Echo.
Es sind vielleicht Worte die man über einen Arbeitnehmer sagt, aber es sind nicht die Worte die ich Norbert nachrufen möchten.
Norbert war ein wertvoller Arbeitnehmer ohne Zweifel, aber noch viel wertvoller war für mich der Mensch Norbert Schrempp.
Es ist mir wichtig, als Teamleiter der Firma BMG Labtech, meinen persönlichen Nachruf für Norbert zu verfassen.
Norbert wechselte von der WTO zu BMG Labtech. Ein junges Unternehmen, von dem man noch nicht wusste, sind das alles chaotische Glücksritter, oder wird daraus eine Weltfirma.
Keine 2 Wochen nach Norbert habe ich selbst bei BMG in Waltersweier angefangen.
Epische Schlachten wurden gemeinsam in der Produktion geschlagen, manchmal bis tief in die Nacht mit Pizza und Weizenbier vom Chef.
Mit Herzblut Vollgas geben, wenn wir wussten, der Chef braucht uns („die nächste Reihe muss besonders gut werden!“) Wieder Durchatmen und Kraft tanken, wenn weniger los war.
Gemeinsam, mit Spaß alle an einem Strang ziehend, Herr Becker, ED, Katja, Patric, Michael, Rene, Schappi, Mibo, Wolfram, um nur ein paar zu nennen, alles noch so junge Gesichter in einer wachsenden Firma. Das waren die Anfänge von Norbert in der kleinen Produktion vor mehr als 27 Jahren.
Erinnerungen und Bilder tauchen unvermittelt auf, wenn ich an Norbert denke.
Ein ganz normaler Arbeitstag, ich laufe durch den Mittelgang, schon von weitem höre ich
Norbert rufen:
“Wenn mir nochmal einer so eine (nicht jugendfreie Kraftausdrücke) …. Reparatur auf den Tisch legt werfe ich das Ding durch das geschlossene Fenster raus auf den Rasen“.
Norbert hat wieder einmal ungefragt eine Reparatur auf den Tisch gelegt bekommen und es war wohl grad unpassend bei ihm.
In meiner frisch gebackenen Funktion als Teamleiter, bestückt mit dem neuesten Wissen aus Seminaren im Führen von Konfliktgesprächen und immer bedacht auf faire Arbeitsverteilung innerhalb des Teams, habe ich mich sofort pflichtbewusst auf den Weg gemacht und Norbert zum Gespräch gebeten. Seine Antwort: „Ach Markus, mach dir keinen Kopf, wenn ich nicht ab und zu motze und zetere, dann denkt der Chef womöglich noch, dass mir das Arbeiten hier Spaß machen würde.“
Geradeheraus, kein Chichi, kein taktieren, unkompliziert, Norbert eben.
Ein brummiger Sonnenschein, wie ihn eine Kollegin immer gerne nannte.
Wenn man sich auf dem Gang der Mechanik Abteilung genähert hat, konnte man sie meist schon hören:
Norbert und Erhard.
Kommentiert wurde alles, die Kollegen rechts und links. Die Arbeit, „was des alles wieder koscht“, „nach fest kommt ab“, das Wetter, die Reben und die Radiowerbung „summer summer Toyota.“
Immer wenn ich die beiden dort sitzen gesehen habe, musste ich unweigerlich an die zwei grauhaarigen alten Herren Waldorf und Statler aus der Muppet Show denken, die immer oben in der roten Loge saßen.
Mein Plan war zum 60er von Norbert, für die beiden zwei weißhaarige Perücken zu kaufen und rote
Samt-Hussen über die Stühle zu stülpen, so wie in der Loge bei der Muppets Show….
...zum 60er
…für die beiden
...ja…das wäre mein Plan gewesen.
Feste, ja Feste gab es auch bei uns. Wenn man bei Norbert am Tisch saß war eines immer gewiss:
Es gab viel zu lachen. Es war ein Lachen, ohne auszulachen und es konnte spät werden, sehr spät um nicht zu sagen früh.
Nein, kein Partylöwe, kein Hans Dampf in allen Gassen, warm…ja warm, eine wärmende Geselligkeit die Norbert ausgestrahlt hat, sobald man bei ihm am Tisch saß.
Ich glaube der damalige Barkeeper vom Dollenberg erzählt heute noch seinen Enkelkindern von der längsten Barkeeper Nachtschicht seines Lebens.
Die Tage nach Norberts Diagnose… Die plötzliche Stille in allen Räumen…
Noch nie habe ich erlebt, wie schmerzhaft und schreiend laut Stille sein kann und beim Blick zu Erhard, ganz alleine am Tisch sitzend, den Blick ins Leere, hat es jedem der vorbei ging das Herz zerrissen.
Das, was wir fühlen und das was wir Norbert nachrufen möchten findet sich nicht in seiner Personalakte.
Wir finden es in uns,
wir finden es in den Augen jener, die Norbert gekannt haben.
Wir finden es in unseren Herzen.
Ein Filmzitat kommt mir in den Sinn. Es stammt aus dem Film „Der Letzte Samurai“ mit Tom Cruise.
Der letzte Samurai ist in der Schlacht für seine Werte und seine Ehre gefallen.
Der Kaiser fragt, wie ist er gestorben und Tom Cruise antwortet:
„Ich werde nicht erzählen, wie er gestorben ist, ich werde erzählen wie er gelebt hat.“
Genau das werden wir bei BMG tun.
All die kleinen Anekdoten, all die Geschichten, die wir bei BMG in der gemeinsamen Zeit mit Norbert erleben durften, werden wir erzählen und spätestens, wenn in ein paar Wochen im Radio zum ersten Mal „Last Christmas“ von Wham gespielt wird, werden wir uns schweigend und wissend anschauen bevor wir im Chor im typischen Norbert Slang rufen:
„Ach nein, geht das schon wieder los!“
Wir werden wissen was gemeint ist,
wir werden wissen wer gemeint ist
und Norbert wird uns spüren
da bin ich mir ganz sicher.
Wie soll ich all das in Worte fassen und zu Papier bringen was Norbert uns bedeutet hat?
Ich nehme den Stift in die Hand und schreibe einen einzigen Satz in großen Buchstaben auf das leere Blatt.
Einen einzigen Satz, der vielleicht alle unsere Gedanken fassen kann und ausdrückt wie groß unser Verlust ist...
WIR HABEN UNSEREN NORBERT VERLOREN